Der ganz lange Arm des Gesetzes


Egal, wohin die Reise führt, vor der Heimat gibt es kein Entrinnen.

Die Zeit - Juni 2015
(Link)



Conakry, Guinea: Das neue Jahrtausend hatte eben angefangen, und ich saß mutterseelenallein mit Malaria in der Lobby eines Krankenhauses, das in einem ehemaligen Hotel untergebracht war. Vielleicht hielt ich es auch nur für ein Ex-Hotel wegen der finsteren Zimmerfluchten, des Klimaanlagen-Muffs und dieses Teppichs, der so tief war, dass man sich Gummistiefel zum Durchwaten wünschte. Am Morgen hatte man mir mit einer rostigen Rasierklinge eine Blutprobe entnommen – seitdem hatte man mich vergessen. Jetzt war es Nachmittag. Der Loungesessel, auf dem ich kauerte, begann mich zu verdauen. Das Fieber machte mich gleichgültig und paranoid zugleich. Ich argwöhnte, dass man mich hier endgelagert hätte und niemand je durch diesen Teppich zu mir schwimmen würde, um mich zu heilen. Dann plötzlich, nach einem kurzen Stromausfall, sprang der Fernseher grundlos an. Und unvermittelt blickte mir Erwin Köster in die Augen. Der Alte mitten in Westafrika, im Hotelkrankenhaus von Conakry? Gern hätte ich jemanden gefragt, ob ich ihn wirklich sah. Oder ob dies mein Bote aus dem Totenreich sei; gekommen, um mich zu holen aus dem Wartezimmer der Hölle. Doch da war niemand, und so gab ich mich Kriminalhauptkommissar Köster hin und dämmerte weg. Als ich zu mir kam, stand vor mir ein junger Mann im weißen Kittel und reichte mir ein paar Ampullen: zweimal am Tag, intramuskulär, wird schon werden. Der Fernseher zeigte Schwarz, und ich schlich von dannen. Bis heute frage ich mich, ob Erwin Köster mich eines Tages wirklich holt.

︎