Foto: Hartmut Nägele

Die Sonnenkönigin


Die Physikerin Rebecca Saive ist Professorin, Erfinderin und Unternehmensgründerin. Mit ihren 33 Jahren hat sie schon mehr geschafft, als andere in ihrem ganzen Leben. Ein Porträt.

brand eins - Oktober 2020
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Das, was Rebecca Saive antreibt, lässt sich durch ein einfaches Schaubild mit zwei Geraden in einem Koordinatensystem beschreiben: eine Gerade für die Kreativität, die abnimmt, je älter sie wird, und eine für das Wissen, das mit dem Alter wächst. Seit ihrer Schulzeit will sie die Gerade des Wissens so steil wie möglich halten, um möglichst viel von ihrer Kreativität zu haben. Heute ist sie 33 Jahre alt, sitzt in einem Reihenhaus-Garten im beschaulichen Enschede in den Niederlanden nahe der deutschen Grenze und sagt: „Ich bin jetzt am Schnittpunkt beider Geraden. Und beruflich genau da, wo ich hinwollte.“ Als Jugendliche schrieb sie ins Jahrbuch ihrer Schule als Berufswunsch „Professorin der Physik“ – vor zweieinhalb Jahren hat sie dieses Ziel erreicht.

Während ihre niederländischen Nachbarn in den Gärten rings um sie herum ihre Rasen auf wenige Millimeter scheren, reicht Saive Kaffee und Honigwaffeln. Hier ist ihr Pandemie-Büro. Nur noch einen Tag pro Woche darf sie ins Institut, in ihr geliebtes Labor, den Rest verbringt sie mit ihrem Ehemann, der auch Wissenschaftler ist (wenn auch nur promoviert) im Reihenhaus.

Während Saive von jener Zeit schwärmt, die erst so kurz vergangen ist, in der kaum eine Woche ohne Geschäftsreise endete, die sie alle paar Monate nach Asien und Amerika zu Konferenzen führte, wo sie nebenbei noch eine Firma in den USA gründete und zwischen Montagmorgen und Sonntagnacht gut 60 Arbeitsstunden passten, während alldem drehen die Zeiger am Kirchturm, den man von ihrem Gärtchen aus sieht, so gemächlich wie unerbittlich ihre Kreise. Als wollten sie Saive daran erinnern, dass es für sie keine Minute zu verlieren gibt.

Das ist ihr schon lange klar. Als sie mit 19 das Abitur in Händen hält, beginnt gerade ihr zweites Semester Physik. Das Diplom in Allgemeiner Physik legt sie 2010 vor dem Ablauf der Regelstudienzeit ab, da ist sie 23. Vier Jahre später promoviert sie in Heidelberg am Innovationlab zu organischen Solarzellen. Sie weiß, dass ihr für die Professur noch ein Prestige-Institut im Lebenslauf fehlt. Ideal fände sie das renommierte California Institute of Technology (Caltech) und dort die Arbeitsgruppe von Professor Harry Atwater, einer Koryphäe.

Doch egal wie ausführlich Saive ihm schreibt, die Koryphäe schweigt. Für die Physikerin ist das kein Rückschlag, sondern eine Handlungsaufforderung. Sie bearbeitet ihren Doktorvater in Heidelberg, bis der sie zu einer Konferenz nach Japan schickt, an der „zufälligerweise“ auch Atwater teilnimmt. Dort verwickelt sie ihn in ein Gespräch, und Atwater verspricht, ihre Bewerbung zu prüfen. Saive sagt: „Ich bin nicht der Typ, der die Segel streicht.“ Da sie auch nicht gern auf ihr Schicksal wartet, reist sie kurze Zeit später auf eigene Faust in die USA, „zufälligerweise“ direkt in Atwaters Büro. Als sie wieder ins Flugzeug nach Deutschland steigt, hat sie den Job. Da ist sie 28. „Am Ende habe ich ihn zweimal um die Welt verfolgt, bis er mich eingestellt hat. Man muss schon was dafür tun“, sagt sie.

Vier Jahre forscht und lehrt sie am Caltech. Wenn sie heute in ihrem Home-Office-Garten von den Hürden ihrer Forschung spricht, schleichen sich immer wieder englische Begriffe in ihre Ausführungen, für die ihr die deutsche Übersetzung fehlt. Es ist dieselbe Krankheit, mit der sich wichtige Leute gern in der Business Class infizieren. Nur dass sich Saive dafür entschuldigt und lieber das passende Wort fände.

Dass sie ein bisschen aus der Übung ist, was Deutsch angeht, liegt auch daran, dass sie mit ihrem Mann Sebastian Husein zu Hause meist Englisch spricht. Die beiden haben sich während ihrer Zeit in den USA bei einer Konferenz in Phoenix kennengelernt. Zwei Jahre später fragt Saive bei einer Wanderung, ob er sie heiraten wolle. „Ich hatte meinen Antrag schon lange geplant, aber Rebecca ist einfach immer schneller als die anderen – auch privat“, sagt Husein.

Er ist vier Jahre jünger als seine Frau und erforscht als Materialwissenschaftler ähnliche Themen wie sie. An zwei ihrer Projekte arbeitet er mit. Eine Trennung zwischen Arbeit und Privatleben gibt es bei ihnen nicht. Wenn sie über die Arbeit sprechen, ist das für sie keine Arbeitszeit. Neulich sind sie mit dem Fahrrad zu einem See gefahren und haben sich dabei so sehr in der Besprechung einer Testreihe verloren, dass sie vergaßen, schwimmen zu gehen, wie sie auf dem Heimweg bemerkten. „Wir sind auch Kollegen“, sagt Husein, „das ist großartig.“ Der Erfolg seiner Frau, sagt er, liege vor allem an ihrer Beharrlichkeit und Entschlossenheit.

Doch das alles wäre nichts ohne ihre Begeisterung für die Sache. Die Sonne wandelt jede Sekunde vier Millionen Tonnen Materie in Energie um, von der nur ein Bruchteil auf die Erde trifft, wo noch mal knapp die Hälfte reflektiert oder absorbiert wird – und doch steckt in dem, was ankommt, noch fünftausendmal mehr Energie, als die Menschheit im Augenblick verbraucht. Das Licht der Sonne verdrängt die Dunkelheit und ist die Voraussetzung für alles Leben.

Das Geheimnis des Lichts

Wenn Rebecca Saive über das Sonnenlicht spricht, wirkt sie, als hielte sie einen TedTalk vor sich selbst. Sie ist begeisterte Lehrerin und faszinierte Schülerin zugleich. Ihre Formulierungen scheint ihr den Enthusiasmus ab. Er macht auch, dass ihr Fortkommen – wenigstens nach außen – so mühelos wirkt.

Wer das Sonnenlicht auf Erden zu bändigen weiß, der löst eines der drängendsten Probleme der Menschheit. Rebecca Saive will eine von ihnen sein. Mit neun Jahren bekommt sie eine Windmühle geschenkt, deren Rotoren nur durch die Strahlen der Sonne bewegt werden. Andere Kinder wären kurz fasziniert und bald gelangweilt – Saive macht das Wirkprinzip zu ihrer Lebensaufgabe. Der Gedanke, dass ein ferner Stern eine Kraft aussendet, die sie vor dem Haus ihrer Eltern in Ludwigshafen am Rhein einfangen kann, lässt sie nicht mehr los. Als sie kurz darauf im Urlaub in Schiras im Iran unter der über und über mit Spiegeln bedeckten Kuppel des Mausoleums von Amir Ahmad, dem „König des Lichts“, steht und ihr Vater ihr erklärt, dass eine einzige Kerze am Ende des Raums genüge, um ihn völlig in Licht zu tauchen, ist es um sie geschehen. Sie will das Geheimnis des Lichts verstehen und es beherrschen.

Jetzt ist sie 33 und hat drei Karrieren: Als Forscherin widmet sie sich der Umwandlung von Sonnenenergie, der Nanophysik sowie der Wechselwirkung von Licht und Materie. Als Assistenzprofessorin lehrt sie an der niederländischen Universität Twente am Lehrstuhl für Anorganische Materialwissenschaft, und als Chief Technology Officer leitet sie ihre eigene Firma ETC Solar, mit der sie die Solarzellen-Forschung revolutioniert hat. Sie macht nicht den Eindruck, als strenge sie das übermäßig an. Saive sagt: „Ich hatte eben sehr früh einen klaren Plan und habe dann die notwendigen Schritte eingeleitet. Der Rest ist durchbeißen, dranbleiben und auch ein bisschen Glück.“

Das akademische Umfeld ist für sie eine große Familie, in der man seine Beziehungen pflegen muss. Vielleicht entwickelt die schweigsame Sitznachbarin auf einer Konferenz in Seoul in fünf Jahren ein Verfahren, das einen zur Lösung führt? Den Anteil des Netzwerkens am Erfolg in der Wissenschaft könne man gar nicht hoch genug bewerten. Das Bild des genialen Forschers als zerzaustem Einsiedler mit fachlicher Inselbegabung, der bei jedem Sozialkontakt ins Schwimmen kommt, trifft heute weniger zu denn je. Saive kann beides: Nerd und Small Talk. Sie liest Physik-Papers und wärmt sich beim Gedanken an die Symmetrie der Siliziumkristalle – und hat Freunde auf der ganzen Welt.

Schon als Kind ist sie von Wissenschaft umgeben. Ihre Eltern sind beide Chemiker. Wenn ihr Vater früh nach Hause kommt, experimentieren sie am Küchentisch, bauen Batterien aus Kartoffeln und legen Feuer in der Mikrowelle. Beim Abendbrot ist oft die Rede von Versuchen im Labor, für das Kind ein sagenhafter Ort, dessen alchemistische Aura die Schülerin mit jedem Tag, da ihr der Zutritt verwehrt wird, stärker anzieht. Als sie eines Tages den Kommilitonen ihrer Mutter, die noch studiert, so lange bequatscht, bis er sie heimlich ins Labor mitnimmt, steht sie mit großen Augen zwischen Lasern und Spiegeln und fasst den Entschluss, keinen anderen Weg einzuschlagen, als jenen, der sie später an genau so einem Ort forschen lässt.

Doch in der Schule lernt sie auch, wie schwer es ist, cool und Nerd zugleich zu sein. Ihre traurige Erkenntnis: Ein Mädchen, das sich für Naturwissenschaften interessiert, ist unattraktiv. Die- ser Preis ist ihr zu hoch. Also spielt sie vormittags die gewöhnliche Mitschülerin ohne mathematische Interessen und vergräbt sich den Rest des Tages zu Hause in Sachbücher. An der Physik fasziniert sie das Fundamentale. Sie sagt: „Ich brauche etwas, wo mein Gehirn ins Rollen kommt.“ Sie hält diese beiden Welten so strikt getrennt, dass sie niemandem davon erzählt, als sie mit 17 Jahren nebenbei ein Physikstudium beginnt. Als ein Lehrer doch hinter ihr Geheimnis kommt, beschließt sie ihr naturwissenschaftliches Coming-out. Zu ihrer Überraschung tut sich daraufhin nicht die Hölle unter ihr auf. Seither lebt sie offen naturwissenschaftlich.

Heute muss sie ihre Leidenschaft nicht mehr verstecken. Schon die ersten Jahre an der Universität hätten die Schulzeit wieder gutgemacht: „Als Frau in der Physik ist man fast schon automatisch attraktiv, es gibt ja kaum Konkurrenz.“ Wenn sie lacht, wirkt sie noch ein paar Jahre jünger. Man könnte sie dann mit einer ihrer Studentinnen verwechseln. Zwar gab es, als sie selbst noch studierte, jene Dozenten, die durch sie hindurch nur zu den männlichen Studenten gesprochen haben, und auch heute wird sie bei Tagungen noch hin und wieder gefragt, wo denn ihr Professor bleibe, der sie mitgebracht habe – aber das wird seltener. Und mittlerweile weiß sie ihre Position auch zu nutzen. „Wenn ich mit einem Kollegen ins Gespräch kommen will, hilft es, eine Frau zu sein. Ich falle in der Masse der Männer auf.“ Auch wurde sie jüngst vom Fachjournal »MIT Technology Review« zu den „Innovators under 35“ gewählt. Sie steht damit in einer Reihe mit Leuten wie Mark Zuckerberg, Larry Page und Linus Torvalds. Druck habe das keinen auf sie ausgeübt, sagt sie, den mache sie sich schon selbst. Aber es sei eine willkommene Bestätigung gewesen.

Was sie erfunden hat, ist schnell erklärt: Stellen Sie sich bitte eine Solarzelle vor. Sehen Sie das helle Gitter aus Silberdrähten, das über dem dunklen Silizium liegt? Es ist nötig, um die Energie weiterzuleiten. Doch wo das Gitter liegt, geht der Zelle das Licht verloren. Saive hat nun eine Methode gefunden, mit der die Drähte nicht mehr flach aufliegen, sondern wie ein Dreieck spitz nach oben zulaufen. Die Seitenwände spiegeln das Licht nicht mehr in den Himmel, sondern lenken es aufs umliegende Silizium ab.

Obwohl – oder gerade weil – die Dreiecksdrähte zehn- bis zwanzigmal dünner sind als ein menschliches Haar, erhöhen sie den Wirkungsgrad der Zelle um vier bis zehn Prozent – und reduzieren den Preis um denselben Faktor. Das klingt noch nicht nach einer Revolution, doch wenn man bedenkt, dass die Forschung aktuell für eine Leistungssteigerung dieser Größenordnung rund ein Jahrzehnt und viele kleinteilige Verbesserungen braucht, wiederum schon.

Die Erfindung in die Welt bringen

„Eine Steigerung des Wirkungsgrads in kommerziellen Anwendungen um vier oder mehr Prozent ist ausgesprochen bemerkenswert!“, sagt Emily Warren. Sie ist Expertin für hocheffiziente kristalline Fotovoltaik am National Renewable Energy Laboratory, das vom US-Energieministerium finanziert wird und als führend auf den Gebieten der erneuerbaren Energie und deren Energieeffizienz gilt. Saive verstehe sowohl das große Ganze als auch die komplizierten Niederungen der Physik: „Ich glaube, dass sie in den kommenden Jahren noch einen wichtigen Beitrag zur Solarforschungsgemeinschaft leisten wird.“ Ihrem Team sei es gelungen, praktisch durchsichtige Leiter nicht nur zu entwerfen, sondern auch herzustellen. Das habe bisher noch niemand geschafft, weil die Umsetzung eben wirklich schwierig sei. „Soweit ich das einschätzen kann, ist ihr Ansatz vielversprechend. Das Konzept ist nicht neu, aber es zeigt einen faszinierenden Weg auf, sie herzustellen“, sagt Warren.

Für Saive ist er vielversprechend genug, um 2017 mit Kollegen in Kalifornien eine Firma zu gründen. Sie erinnert sich noch daran, was sie dem Doktoranden geantwortet hat, der ihr die Firmengründung vorschlug: „Klar, solange es nicht zu viel Arbeit macht.“ Es wurde dann doch ein wenig Arbeit.

Um auch hier nichts dem Zufall zu überlassen, bewirbt sie sich beim I-Corps-Programm der National Science Foundation, dessen Ziel es ist, jungen Gründern aus der Wissenschaft die Leviten zu lesen. „Wenn man im Labor steht und etwas Tolles erfindet, denkt man, das muss doch jeder genial finden. Ist aber nicht so. Die meisten Start-ups aus der Wissenschaft scheitern, weil es keinen Markt gibt“, sagt Saive. Ihr Team bekommt 50 000 Dollar, um mit 150 Leuten auf der ganzen Welt Interviews zu führen. Vom Großproduzenten bis zum Endkunden. Eine so lehrreiche wie anstrengende Reise.

Ihr Ehemann und Kollege Sebastian Husein hat in seiner Doktorarbeit just das gleiche Problem erforscht. „Gelöst hat es aber Rebecca mit ihrer Firma“, sagt er heute. Sie beteuert daraufhin, dass er eben Grundlagenforschung betreibe und sie ein kommerzielles Produkt herstelle. Die Konzentration auf das gemeinsame Ziel, die Energiewende, bewahrt sie vor interner Konkurrenz. Husein sagt: „Ich sehe, wie viel Arbeit sie in ihre Forschung steckt und bin ehrlich froh, dass sie dafür die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient hat. Und das sage ich nicht als stolzer Ehemann, sondern als Wissenschaftler.“

Heute stellt ETC Solar die Maschinen her, mit denen Produzenten die Silberdrähte selbst auf ihre Zellen drucken können. Erste Verträge mit Unternehmen, die Satelliten mit Solarzellen bestücken, sind bereits geschlossen. Die Solarzellen fürs Reihenhausdach werden in chinesischen Megafabriken angefertigt, deren Abläufe erst dann umgestellt werden, wenn sich das neue Verfahren viele Jahre in der Industrie bewährt hat. Daher setzen die Gründer auf hochspezialisierte Branchen, die am maximalen Wirkungsgrad der Solarzellen interessiert sind. Als CTO zahlt sich Saive kein Gehalt aus, besitzt aber ein Drittel des Unternehmens. „Wenn es morgen pleitegeht, war es eben ein Hobby“, sagt sie. Ein aufwendiges Hobby.

Angst davor, dass ihr die Sache jemand nachmacht, hat sie nicht. Das hätten schon viele versucht – ohne Erfolg. So leicht es sei, die Erfindung zu beschreiben, so schwer lasse sich erklären, was daran so schwierig ist: „Immer wenn wir mit Leuten sprechen, die nicht vom Fach sind, werden wir gefragt, warum das noch keiner gemacht hat, klingt ja super einfach. Immer wenn wir mit Leuten sprechen, die sich auskennen, wünschen die uns viel Glück, glauben aber nicht, dass wir es schaffen.“

Aber es gebe auch Experten, die die Schwierigkeit verstehen und trotzdem an sie glauben. Zwar gibt es einige Patente an dem Verfahren, doch die werde sie kaum brauchen, meint Rebecca Saive. Vor wenigen Jahren erst habe ein Start-up versucht, mit ihrer Methode die Silberleiter herzustellen, aber nach einem Jahr aufgeben müssen. Auch in der Fotovoltaik steckt der Teufel im Detail. Um nicht mit langwierigen Ausführungen kostbare Zeit zu verlieren, sagt sie oft, sie habe die dreieckigen Drähte erfunden. Das stimmt zwar nicht ganz, aber es macht ihr Leben leichter.

Sie hat Talent, die physikalischen Untiefen zu erklären. Wenn sie etwa sagt, dass man ihre Erfindung im Prinzip nur wie Nagellack auf die Solarzelle aufbringen und dann warten müsse, bis das Lösungsmittel getrocknet sei, kann sie ihren Schmerz über die brachiale Vereinfachung ihrer Arbeit fast vollständig verbergen. Aus ihrer Mimik weicht dann allerdings etwas von der sonst so präsenten und offenen Begeisterung und macht einer professionell-gleichmütigen Gutmütigkeit Platz. Dann ist sie ganz Lehrkörper.

Dass sie mit ihrer Erfindung reich werden könnte, nimmt sie in Kauf. Früher sei ihr Geld egal gewesen, da ging es ihr nur um die Forschung. Heute ist es für sie auch ein Aspekt der Anerkennung. Zwar ist sie von ihren drei Rollen am wenigsten Unternehmerin, doch sie hat erkannt, dass eine wichtige Erfindung auf dem Campus keineswegs automatisch ihren Weg in die Welt findet. „Man muss das Labor verlassen und die Sache zum Kunden tragen. Irgendwie muss man das alles selber machen“, sagt sie. Es klingt nicht resigniert, eher wie eine freundliche aber bestimmte Aufforderung.

Dass die Menschheit von fossilen Energieträgern wegkommen muss, und zwar besser gestern als heute, auch das treibt sie an. Klar werden in Solarzellen Seltene Erden verbaut, und es kostet Energie sie herzustellen, aber was seien die Alternativen? Kohle verbrennen? Atommüll produzieren? „Schlimmer als jetzt kann es nicht sein“, sagt Rebecca Saive, „Solarzellen stellen im Schnitt 15-mal mehr Energie während ihrer Lebenszeit her als sie in der Produktion gekostet haben. Im besten Fall sogar 20- bis 30-mal. Tendenz steigend, weil die Produktion immer effektiver wird.“

Schon eine einzige Solarpaneele in einer armen Weltregion genügt, um einen Kühlschrank zu betreiben, in dem wichtige Medikamente lagern. „Kleine Schritte machen einen großen Unterschied“, sagt Saive. Das praktisch durchsichtige Dreieck soll nicht ihre letzte Erfindung gewesen sein. Und auch nicht ihre letzte Gründung. Irgendwer muss es schließlich machen. ---

︎